Elisa Schaum Interview

Junior Prof. Dr. Elisa Schaum
"Phytoplankton ist unglaublich hübsch!"
Interview: Myria Schröder 

Zur Person
Prof. Elisa Schaum wurde in Belgien geboren. Sie lebte und arbeitete in Holland, Deutschland, Frankreich, Südafrika, Italien, Neuseeland, und der UK. Zuletzt war sie an der Universität Exeter als wissenschaftliche Mitarbeiterin in einer Außenstelle in einem kleinen Ort mit 5.000 Einwohnern im Süden Englands tätig. Seit Oktober 2017 ist sie Juniorprofessorin für Planktonökologie am Institut für Hydrobiologie und Fischereiwissenschaft (IHF) an der Universität Hamburg.
Sie sind seit ungefähr einem Jahr Juniorprofessorin für Planktonökologie an der Uni Hamburg. An was für einem Forschungsprojekt arbeiten Sie zur Zeit? 
Wir haben eigentlich immer mehrere Forschungsprojekte um eine größere Frage zu beantworten. Wir beschäftigen uns zur Zeit mit dem evolutionären Potential von Phytoplankton, also wie sich Phytoplankton im Laufe des Klimawandels an die veränderlichen Umweltbedingungen anpassen kann. Wir wissen, dass Phytoplankton sich aufgrund seiner kurzen Generationszeiten (100 Generationen im Jahr!) und seiner großen Populationsgröße (bis zu mehr als einer Million Organismen pro Milliliter Meerwasser) sehr schnell evolutiv anpassen kann. Allerdings wissen wir nicht, welche Sorte von Phytoplankton ein besonders hohes evolutionaeres Potential hat, und was die ökologischen Konsequenzen sind. 

Wie sind Sie auf marines Phytoplankton als Fachgebiet gekommen? 
Ein bisschen ging das nach dem Ausschlussverfahren. Ich wollte nicht mit Tieren arbeiten, unter anderem deshalb, da ich Veganerin bin und das nicht mit meinem Gewissen vereinbaren konnte, Tierversuche zu machen. Andererseits wissen wir ja, dass der größte Teil der Erde von Wasser bedeckt ist, dass heißt, das Meer ist ein großes, sehr wichtiges Ökosystem. Innerhalb des Ökosystems Meer ist Phytoplankton unglaublich wichtig. Phytoplankton produziert unter anderem die Hälfte des Sauerstoffs. Jeder zweite Atemzug, den man nimmt, kommt vom Phytoplankton. Gleichermaßen ist es auch sehr wichtig für alle anderen marinen Organismen. Das Nahrungsnetz des Meeres beruht im Wesentlichen auch auf der Anwesenheit des Phytoplanktons. Des Weiteren ist das Phytoplankton auch aus biogeochemischer Sicht sehr wichtig, da es durch die Photosyntheseleistung der Luft Karbondioxid entzieht und somit als eine Senke für das sich in der Atmosphäre befindende Karbondioxid wirken kann. 

 ,Bei den light eaters handelt es sich um Chlamydomonas. Ich nenne sie light eaters, 
weil sie besonders gut Photosynthese betreiben können, also das Licht auffressen.' 

Fasziniert Sie an Phytoplankton dann also sein Potential? 
Ja, genau! Gleichzeitig ist Phytoplankton auch unglaublich hübsch. Das ist vielleicht nicht zwingend der beste Grund zur Auswahl seines Forschungsorganismus. Wenn man sich aber einen Wassertropfen aus dem Meer unter dem Mikroskop anguckt, ist das schon unglaublich, was für eine Vielfalt an Formen gibt. 

Viele Professoren arbeiten hauptsächlich am Schreibtisch. Arbeitet man als Juniorprofessorin noch viel selbst im Labor? 
Eigentlich nicht. Ich freue mich immer, wenn sich die Leute in meiner Arbeitsgruppe freinehmen, da ich dann auf das Phytoplankton aufpassen und im Labor arbeiten darf. Wir fahren auch mindestens zweimal im Jahr auf See und da freue ich mich auch jedes Mal sehr drauf, da ich dort tatsächlich noch selber im Labor auf dem Schiff arbeiten kann. 

,Wie bindet man das Labor auf einem Schiff fest, so dass es einem nicht um die Ohren fliegt?'
Sie arbeiteten zuletzt als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Exeter in England. Wie sind Sie eigentlich Juniorprofessorin an der Uni Hamburg geworden? 
Man hat als Wissenschaftler oder Wissenschaftlerin ein bisschen das Problem, dass die meisten Verträge auf zwei bis drei Jahre befristet sind. In Exeter hatte ich einen Drei-Jahresvertrag und nach spätestens zwei Jahren muss man dann schon anfangen, sich um das Nächste zu kümmern. Da hatte gerade unter anderem (sich auf ein gutes Dutzend Stellen zu bewerben und größtenteils Absagen zu erhalten ist ganz normal) die Uni Hamburg ihre Anzeige für Bewerbungen auf die Juniorprofessorenstelle herausgebracht. Ich habe mich dort beworben, eigentlich denkend, dass ich die Stelle sowieso nicht bekomme, aber dass ich gerne mal sehen würde, wie solche Interviews für Juniorprofessorstellen ablaufen. Dann hat es aber zu meiner Überraschung geklappt. Damit war ich tatsächlich sehr zufrieden, da ich, unter anderem auch wegen des Brexits, in einem Land arbeiten wollte, das in der EU bleiben möchte. Die Universität Hamburg war die erste Stelle, die mir eine Zusage geschickt hat. Sie hat mir zugesagt, ich habe ihr zugesagt und habe mich sehr gefreut. 

Elektronenmikroskopische Aufnahme eines Diatom
Wie würden Sie das Konzept der Juniorprofessur weiterentwickeln? 
Ich würde das Konzept mit Tenure Track auf jeden Fall weiterverfolgen. Die Uni Hamburg macht das seit kurzem auch, so dass diese Juniorprofessuren tatsächlich die Möglichkeit eines Tenure Tracks haben, mit dem es sehr viel wahrscheinlicher für Juniorprofessoren und –professorinnen wird, dass sie nach Ende ihres Sechs-Jahresvertrages an der Universität bleiben dürfen. 

Sie haben in den Niederlanden, Deutschland, Frankreich, Südafrika, Neuseeland und der UK gelebt und gearbeitet. Ist diese große Mobilität als Wissenschaftler nicht mehr vermeidbar? 
Da bin ich mir nicht sicher. Für mich war es immer sehr schön, dass ich die Möglichkeit hatte, mobil zu sein und dass das mit der Arbeit Hand in Hand gegangen ist. Ich glaube, man gewinnt auch sehr viel dazu, wenn man in anderen Ländern lebt, lernt und arbeitet. Manchen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ist es aber gar nicht möglich so mobil zu sein. Ich finde, manchmal wird diese große Mobilität auch übertrieben und als zwingend vorausgesetzt, ohne dass berücksichtigt wird, dass es nicht für alle gleichermaßen möglich ist, so mobil zu sein. Es kann auch sehr anstrengend sein, denn jedes Mal, wenn man in ein anderes Land zieht, muss man wieder neue soziale Kontakte aufbauen. Ich glaube, dass gerade ältere Wissenschaftler, die noch nicht so viel unterwegs sein mussten, sich den sozialen und emotionalen Kosten die durch diese große Mobilität herrühren, teilweise gar nicht bewusst sind. Sie möchten aber gleichzeitig, dass alle jungen Wissenschaftler viel unterwegs sind. Das kann ein Zwiespalt sein. 


,Pierre ist ein Gerät, das Laser auf Algen schießt. Damit können wir die Größe, Form und innere Farbe der Algen berechnen. Wir nennen Pierre auch manchmal Cindy. Das Photo macht mich ganz wuschig im Kopf, weil jemand die Schläuche geknickt hat!'
Wie sollte Wissenschaft idealerweise aussehen? 
In der Wissenschaft sollte idealerweise noch viel mehr an der Gleichberechtigung gearbeitet werden. Nach wie vor gibt es eine große Diskrepanz. So werden beispielsweise Frauen und Männer nicht gleich behandelt und man kann auch, je nach Land und Stadt, Probleme bekommen, wenn man der LGBT-Gruppe zugehörig ist. Ebenfalls werden auch Menschen unterschiedlicher Hautfarbe oder unterschiedlichen Glaubens nicht gleich behandelt. Ich glaube, dass sich in diesen Bereichen, Gleichbehandlung und Diversität, in der Wissenschaft noch sehr viel ändern muss. 
,Zombiepirate ist einer unserer Wachsumsschränke, plus Maskottchen ...'
Wie könnten denn Minderheiten in der Wissenschaft unterstützt werden? 
Ich glaube, das ist tatsächlich sehr schwer. Bei vielen Menschen haben sich bestimmte Vorurteile sehr fest in ihrem Unterbewusstsein verankert. Man müsste dort schon ansetzen: „Du bist kein schlechter Mensch, aber du hast diese Vorurteile, arbeite dran!“. Des Weiteren glaube ich auch, dass es wirklich wichtig ist, dass auch SchülerInnen gezeigt wird, dass das Geschlecht, die Hautfarbe oder dergleichen keine Rolle spielen sollte. 

,Die pondlings sind eine gemischte Algenprobe, vor allem Diatomeen, was man an der schönen, glitzernden Lichtbrechung gut sehen kann.' 

Was halten Sie denn von Quoten um die Diversität zu erhöhen? 
Ich denke, wenn wir ein diverses und gleichberechtigtes System haben wollen, dass Quoten sinnvoll sind. Manche Leute denken, dass unter den Quoten die wissenschaftliche Qualität leide, aber das ist nicht so. Es wird nur bei gleicher Qualifizierung eines Mannes und einer Frau die Frau bevorzugt. Es ist alleine schon viel schwerer für eine Frau an ein Interview zu kommen, als für einen Mann. So finde ich es gut, wenn die Durchsetzung von Quoten gefördert wird. 

Ursprünglich wollten Sie nicht Wissenschaftlerin sondern Künstlerin werden. Wie sind Sie auf die Naturwissenschaften gekommen? 
Über Umwege: In meiner Familie sind alle Künstler oder zu mindestens künstlerisch geneigt und ich glaube, früher war mir gar nicht klar, dass man so etwas wie einen freien Willen hat. Ich dachte, dass man auch das macht, was die Eltern und die Großeltern machen. Ich hatte aber eigentlich immer schon eine Neigung für Naturwissenschaften. Es hat etwas gedauert, bis mir klar war, dass man dieser Neigung auch nachgeben kann ohne dass die Welt untergeht oder die ganze Familie in ein großes Wehklagen ausbricht. Es gab keinen Aha-Moment nachdem mir klar war, dass ich Wissenschaftlerin werde, sondern das hat sich so eingeschlichen. 


,Ein kleiner Algenfresser bzw. ein (taxonomisch hoch akkurat) 'big thing pond''

Haben Sie Ihre Entscheidung in die Naturwissenschaften zu gehen und nicht Künstlerin zu werden zeitweise hinterfragt? 
Ja. Ich hinterfrage meine Entscheidung Wissenschaftlerin zu werden mindestens einmal im Jahr, wenn der große, unschaffbar scheinende, Arbeitsberg ansteht. Ich muss aber sagen, dass ich eigentlich mit der Entscheidung ziemlich glücklich bin und dass die Dinge, die mich in der Wissenschaft so sehr ärgern, wie die mangelnde Diversität und Gleichberechtigung, mich in jedem anderen Beruf genauso ärgern würden. So bin ich eigentlich sehr zufrieden mit meiner Entscheidung. 

Wo kommen Ihnen die besten Einfälle? 
Im Gespräch mit Freunden und Kollegen, wenn man sich gegenseitig erzählt, was man gerade so macht und was einen interessiert. 


,Dinos sind Dinoflagellaten. Mit denen arbeite ich eher nicht, aber sie kommen auch gerne in die Proben.'
Wie sehen ihre Pläne für die Zukunft aus? 
Das ist immer ein bisschen schwer zu sagen in der Wissenschaft, da man so wenig Sicherheit hat und schlecht vorausplanen kann. Ich würde jetzt gerne erst einmal die verbleibenden fünf Jahre in Hamburg verbringen und weiter hier an dem evolutionären Potential von marinem Phytoplankton im Klimawandel forschen. Danach muss man dann sehen wie es weitergeht. Ich möchte schon gerne in der Wissenschaft bleiben und ob es die Wissenschaft in Hamburg ist, hängt dann von vielen Faktoren ab. 

,Coscinodiscus ist eine Kieselalge (Thally, die wir verwendet haben, sind leider nicht so schön. Das sind die ugly stepsisters aller Diatomeen. Dafür benehmen sie sich im Labor gut).' 

Ich hatte gelesen, dass Sie sich vielleicht in der Zukunft mit marinen Viren beschäftigen möchten? 
Ja, das besteht noch. Da ist auch gerade jemand in meinem Labor dabei, Dr. Luisa Listmann, die Versuche zu starten. 

Was war der beste Rat, den sie je bekommen haben? 
Der beste Rat, den ich je bekommen habe, war von einer Kollegin, mittlerweile einer guten Freundin und sie meinte, dass man sich eine gute Mentorin oder einen guten Mentor suchen soll. Dieser Rat hat mir wirklich weiter geholfen. 

Liebe Frau Prof. Schaum, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

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